E-Mobilität – ein schwerer Weg

Info: 19.08.2025 in Allgemein

– und was es für eine gemeinschaftliche Lösung zur Photovoltaik in Wohnungseigentümergemeinschaften bedeutet

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat ein Urteil gefällt, das auf einem Vorabentscheidungsersuchen beim Europäischen Gerichtshof (EuGH) basiert und die rechtliche Figur der „Kundenanlage“ nach § 3, Nr. 24a EnWG neu einordnet. Ziel der Entscheidung war es, die deutsche Sonderregelung mit europäischem Energierecht abzugleichen. Kundenanlagen, über die Strom an Letztverbraucher verkauft wird, können unter bestimmten Umständen als Verteilernetze gelten – mit allen Pflichten, die das Energiewirtschaftsgesetz (EnWG) für Netzbetreiber vorsieht. Für viele klassische Mieterstrom- oder Quartiersstromprojekte bedeutet das zusätzliche Anforderungen, höhere Komplexität und mehr Regulierung. Verständlich, dass Eigentümer und Verwalter von Mehrfamilienhäusern sich aufgrund dieser Umstände vor solchen Investitionen scheuen.

WAS GENAU IST EINE „KUNDENANLAGE“?
Nach § 3, Nr. 24a EnWG ist eine Kundenanlage ein Stromnetz, das sich innerhalb eines räumlich zusammenhängenden Gebiets befindet, von einem Dritten betrieben wird und nicht Teil eines öffentlichen Versorgungsnetzes ist. Solche Kundenanlagen unterliegen in der Regel nicht den gleichen regulatorischen Pflichten wie ein öffentliches Verteilnetz. Der EuGH hat nun klargestellt, dass es für die europarechtliche Beurteilung nicht nur auf die technische Ausführung ankommt, sondern auch auf die Funktion der Anlage. Wird über eine Kundenanlage Strom an Dritte gegen Entgeltweitergegeben, kann das als Betrieb eines Elektrizitätsverteilernetzes gewertet werden.

NETZBETREIBERPFLICHTEN – UND IHRE FOLGEN IN DER PRAXIS
Falls ein Modell als Verteilernetz gilt, greifen umfangreiche Netzbetreiberpflichten. Für Eigentümer und Verwalter hätte das erhebliche Folgen:
1. Anschluss- und Zugangsverpflichtung (§ 17, 20 EnWG)
o Folge: Jeder Dritte, der innerhalb des Versorgungsgebiets Strom beziehen oder einspeisen möchte, muss technisch und vertraglich Zugang erhalten.
o Praxis: Eigentümer könnten nicht mehr allein entscheiden, wer angeschlossen wird; auch fremde Anlagenbetreiber hätten Anspruch.
2. Entgeltregulierung und Netzentgeltkalkulation (§§ 21 ff. EnWG)
o Folge: Netzentgelte müssten nach den Vorgaben der Bundesnetzagentur kalkuliert, veröffentlicht und abgerechnet werden.
o Praxis: Hoher Verwaltungsaufwand, Genehmigungsverfahren und laufende Berichtspflichten.
3. Messstellenbetrieb (§ 3 MsbG)
o Folge: Verpflichtung, für alle angeschlossenen Letztverbraucher Messstellen zu betreiben oder zu organisieren.
o Praxis: Zusätzliche Kosten und Schnittstellen zum Messstellenbetreiber, ggf. Zwang zu Smart-Meter-Rollout.
4. Datenaustausch und Marktkommunikation (MaKo 2022)
o Folge: Teilnahme am standardisierten elektronischen Datenaustausch (z. B. Lieferantenwechsel, Bilanzkreismanagement).
o Praxis: IT-Anbindung an energiewirtschaftliche Systeme, Know-how-Aufbau oder Dienstleisterkosten.
5. Regulatorische Meldungen und Berichte (§ 12 EnWG, BNetzA-Anforderungen)
o Folge: Jährliche Meldungen zu Netzkennzahlen, Versorgungsunterbrechungen, Investitionen etc.
o Praxis: Administrativer Overhead, der für Wohnungsunternehmen ohne Energiewirtschaftsbereich kaum leistbar ist.
6. Technische Regeln und Netzsicherheit (§ 49 EnWG)
o Folge: Einhaltung der technischen Sicherheitsanforderungen, regelmäßige Prüfungen und Störungsmanagement.
o Praxis: Zusätzliche Wartungs- und Dokumentationspflichten, Risiko bei Nicht-Einhaltung.

DAS RISIKO FÜR KLASSISCHE MIETERSTROM-MODELLE
Für Mieterstrommodelle mit gemeinsamer interner Stromverteilung bedeutet diese Einstufung als Netzbetreiber potenziell:
• Mehrkosten für Genehmigungen, Mess- und Abrechnungssysteme
• Verlust der alleinigen Gestaltungshoheit über den Anschluss
• Verpflichtung zu Transparenz und Gleichbehandlung auch für Wettbewerber

Gerade für Eigentümer bzw. Eigentümergemeinschaften, die diese Modelle primär zur Wirtschaftlichkeitssteigerung einsetzen, kann der Zusatzaufwand die Kalkulation erheblich verschlechtern.