Die Elektromobilität hat in den letzten Jahren zunehmend an Bedeutung gewonnen, nicht nur als technische Innovation, sondern auch als zentraler Bestandteil der Klimaschutzstrategie. In der rechtlichen Landschaft ist Bewegung. Welche Fragen aktuell bisher von der Rechtsprechung beantwortet wurden, soll heute – 4 Jahre nach der Einführung der neuen § 20 WEG (Wohnungseigentumsrecht) und § 554 BGB (Mietrecht) an zwei Beispielen beleuchtet werden:
Streit um die richtige Ladelösung (LG München, Urteil vom 23. Juni 2022, Az.: 31 S 12015/21)
In einer Münchener Wohnanlage mit 200 Mietparteien und 200 Tiefgaragenplätzen gab es zwei Hausanschlüsse für Strom und schon drei von anderen Mietern installierte Wallboxen. Ein Mieterpaar wollte ebenfalls eine Wallbox direkt an dem zu ihrer Wohnung gehörenden Stromzähler anschließen, um damit ihr Hybridfahrzeug zu laden. Für die Installation der Wallbox wären rund 1.700,00 € aufzubringen gewesen. Die Vermieterin war mit der Installation nicht einverstanden und argumentierte, dass bei einer Errichtung von mehr als 20 Ladestationen in dieser Weise eine Überlastung des Stromnetzes zu befürchten sei. In der Anlage hätten bereits weitere 27 Mieter Interesse an einer Ladestation bekundet. Die Vermieterin kündigte an, selbst über die Ladelösung ihrer Mieter bestimmen zu wollen und verwies das anfragende Mieterpaar daher auf einen städtischen Versorger, der die Versorgung vieler Ladestationen technisch ohne Überlastungsprobleme umsetzen könne. Der städtische Versorger stelle für das Einrichten der Wallbox jedoch neben einer Einmalzahlung von 1.499,00 € eine monatliche Nutzungspauschale von 45,00 € und eine monatliche Strompauschale den Mietern in Rechnung. Die Mieter lehnten dies ab, bestanden auf ihrer günstigeren Individuallösung und klagten auf Genehmigung.
Das Amtsgericht München gab der Vermieterin in 1. Instanz Recht und gestand ihr zu, über die Auswahl der Ladelösung bestimmen zu dürfen. Die Mieter legten gegen das amtsgerichtliche Urteil Berufung ein – mit Erfolg. Die Berufungskammer (2. Instanz) war der Auffassung, dass die Installation einer weiteren Wallbox für die Vermieterin zumutbar sei. Die gewünschte Wallbox könne derzeit technisch unproblematisch installiert werden. Darauf haben die klagenden Mieter auch gemäß § 554 Abs. 1 BGB einen Anspruch, unabhängig davon, ob künftig noch andere Mieter das Anbringen von Ladesäulen beantragen und diese dann nur mithilfe der Stadtwerke installiert werden könnten. First come, first served – die Berufungskammer führte weiter aus, dass es kein allgemeines Recht auf Gleichbehandlung aller Mieter gebe, an das die Vermieterin gebunden sei; vermieterseits dürften nur keine willkürlichen Entscheidungen getroffen werden.
Wer entscheidet über Ladekonzept? (LG Stuttgart, Urteil vom 5. Juli 2023, Az.: 10 S 39/21)
Ein Eigentümer beantragte bei seiner Gemeinschaft der Wohnungseigentümer (GdWE) die Genehmigung des Einbaus mehrerer Ladesäulen. Die GdWE lehnte sein Einbaukonzept ab. Der Verwalter präsentierte daraufhin ein alternatives Konzept, das ebenfalls abgelehnt wurde. Der Eigentümer klagte die Zustimmung zu seinem Ladesäulenkonzept ein und verlangte, dass der ablehnende Beschluss der GdWE ersetzt werde. Er argumentierte mit seinem Anspruch aus § 20, Abs. 2, Nr. 2 WEG.
Das Amtsgericht Tübingen wies den Antrag ab. Die Angelegenheit ging in die 2. Instanz. Das Landgericht Stuttgart bestätigte das amtsgerichtliche Urteil. Ein Wohnungseigentümer habe zwar aus § 20, Abs. 2, Nr. 2 WEG ein Recht auf die Genehmigung des Einbaus der Ladesäule („Ob“), er habe aber nicht das Recht, darauf zu bestehen, dass die GdWE sein gewünschtes Konzept genehmige („Wie“). Das Landgericht entschied, die GdWE könne im Rahmen einer ordnungsgemäßen Verwaltung nach eigenem Ermessen darüber entscheiden, welches Ladesäulenkonzept erlaubt werde und wer für die Umsetzung verantwortlich sei. Einen Anspruch auf sein gewünschtes Ladekonzept hätte der Eigentümer nur, wenn im Rahmen einer ordnungsgemäßen Verwaltung nur eine einzige Art der Beschlussfassung möglich wäre.
Fazit
Beide Urteile zeigen, dass Mieter und Eigentümer zunehmend Ansprüche auf Lademöglichkeiten für sich reklamieren. Dabei ist die technische Umsetzbarkeit von Ladesäulen grundsätzlich zu berücksichtigen. Es verbleibt aber auch Entscheidungsspielraum der GdWE. Der mieterseitige Anspruch geht im Hinblick auf die Installation einer Wallbox über die bloße Frage des „Ob“ hinaus und räumt dem Mieter ausdrücklich ein Mitspracherecht bei der Gestaltung des „Wie“ ein. Besonders bei vermietetem Wohneigentum und einem Mieterverlangen ist die Umsetzung rechtlich herausfordernd.